Besser so als gar nicht, oder?

Besser so als gar nicht, oder?

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Als Chefredakteur des „Handbuch für den VereinsVorsitzenden“ bekomme ich in letzter Zeit sehr viele Leserfragen zum Thema „Entlastung des Vorstands“. Kein Wunder: Die meisten Mitgliederversammlungen finden zwischen März und Mai statt. Und wenn es in einer Mitgliederversammlung zu einem Eklat gekommen ist – zum Beispiel weil dem Vorstand die Entlastung verweigert wurde – stehen plötzlich eine Menge Fragen im Raum.

Die ein oder andere Frage habe ich an dieser Stelle ja auch schon beantwortet. Zum Beispiel, ob ein Vorstand Entlastungen einklagen kann (nein), oder ob eine Teilentlastung möglich ist, wenn einige Punkte offen, aber andere geklärt sind (ja).In dieser Woche bin ich mit einer neuen Frage konfrontiert worden, die ich für sehr interessant halte. Sie betrifft den Ablauf. Die Frage: „Wie gehen wir dabei eigentlich richtig vor?“Hintergrund ist Folgender: In den meisten Vereinen besteht der Vorstand aus mindestens zwei Personen, wenn nicht mehr – schon um die anfallende Arbeit erledigen zu können. Und damit gibt es auch mehrere Möglichkeiten:

  1. Gesamtentlastung aller Vorstandsmitglieder in einem Abstimmungsvorgang – das heißt: Der Vorstand stellt sich „im Ganzen“ der Entlastung.
  2. Einzelentlastung mit mehreren Abstimmungsvorgängen – In diesem Fall wird über die Entlastung eines jeden einzelnen Vorstandsmitglieds abgestimmt.

Wie Sie jeweils dabei korrekt vorgehen, kann sich – muss aber nicht – aus der Satzung ergeben. Allerdings kann jedes stimmberechtigte Mitglied in den Fällen, in denen die Satzung die Gesamtentlastung vorsieht, verlangen, dass über die Entlastung eines jeden Vorstandsmitglieds einzeln abgestimmt wird.

Beispiel:

Im Vorstand ist Herr Klein für die Finanzen, Herr Groß für den ganzen Rest zuständig. Herr Groß mischt sich in die finanziellen Belange nicht ein. Aus dieser Arbeitsteilung der Vorstandsmitglieder kann sich ergeben, dass es besser ist, jedes Vorstandsmitglied einzeln zu entlasten, weil jedes Vorstandsmitglied seinen abgegrenzten Verantwortungsbereich hat.

In diesem Zusammenhang stellt sich natürlich gleich die nächste Frage:



Wer ist bei solchen (Teil-)Entlastungen denn von den Abstimmungen  ausgeschlossen?

Nun, abstimmungsberechtigt ist jedes stimmberechtigte Mitglied, das in der Mitgliederversammlung anwesend ist. Wer nicht stimmberechtigt ist, ergibt sich aus der Vereinssatzung. Weil mit der Entlastung die Geschäftsführung des Vorstands gebilligt wird, ist es den Vorstandsmitgliedern untersagt, an der Beschlussfassung über die Entlastung teilzunehmen. Die Vorstandsmitglieder, die entlastet werden sollen, dürfen nicht mitstimmen – auch dann nicht, wenn sie zum Zeitpunkt der Abstimmung aus dem Amt ausgeschieden sind, über ihre Amtszeit aber entlastet werden sollen.

Findet für jedes Vorstandsmitglied eine eigene Abstimmung zur Entlastung statt, dürfen die nicht betroffenen Vorstandsmitglieder nur dann daran teilnehmen, wenn ein gemeinschaftlicher Verantwortungsbereich bestanden hat.

Vom Grundsatz her gilt, dass bei der Abstimmung über die Entlastung niemand mitstimmen soll, der im fraglichen Zeitraum als Entscheidungsträger oder Kontrollorgan an Entscheidungen oder Geschäftsvorgängen beteiligt war.

Übrigens:

Die Entlastung ist erteilt, wenn eine einfache Mehrheit der Mitgliederversammlung dafür stimmt. Ausnahme: Die Satzung sieht andere Mehrheitsverhältnisse für das wirksame Entlasten ausdrücklich vor.

Unabdingbare Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Entlastung aber ist, dass jedes stimmberechtigte Mitglied frei entscheiden kann, wie es abstimmt. Die Entscheidungsfreiheit der Mitglieder und der Mitgliederversammlung geht soweit, dass sogar auf bekannte und berechtigte Ersatzforderungen verzichtet werden kann.

Dafür gilt dann aber auch:

Ist die Entlastung beschlossen, kann der Verein gegen die entlasteten Vorstandsmitglieder keine Schadenersatzansprüche mehr geltend machen.



Wichtig:


Aus dem Entlastungsbeschluss muss sich ergeben,

  • für welchen Zeitraum entlastet wurde,
  • ob Voll- oder Teilentlastung vorliegt,
  • bei Teilentlastung: entweder in positiver Hinsicht, für welche Tätigkeiten/Geschäfte sie gilt, oder in negativer Hinsicht, welche Tätigkeiten/Geschäfte von der Entlastung ausgenommen sein sollen.

Tipp:

Der Umfang der Entlastung ergibt sich aus dem gestellten Antrag. Diesen können die Mitglieder beeinflussen, indem sie z. B. beantragen, bestimmte Geschäfte oder einzelne Vorstandsmitglieder auszunehmen.



Beispiel:


Der Vorstand stellt nach Abgabe seines Rechenschaftsberichts den Antrag auf vollständige Entlastung. Vor der Beschlussfassung kommt es zu einer heftigen und kontroversen Aussprache über den Rechenschaftsbericht. Deutliche Kritik am Vorstand gibt es wegen eines erteilten Handwerkerauftrags über 50.000 €. Am Ende der Aussprache stellt Mitglied Daum den Antrag, den kritisierten Handwerkerauftrag aus der Entlastung herauszunehmen.

Die Mitglieder beschließen mehrheitlich, diesem Antrag zu folgen. Der Vorstand muss deswegen seinen Antrag entsprechend umformulieren, wenn er nicht Gefahr laufen will, dass die Mitgliederversammlung die Entlastung vollständig ablehnt.

Schränkt der Vorstand seinen Entlastungsantrag nicht ein, sondern beharrt auf vollständiger Entlastung, handelt die Mitgliederversammlung nur konsequent, wenn sie die Entlastung verweigert. Deshalb empfehle ich Ihnen, im Fall der Fälle lieber einer Teilentlastung zuzustimmen – ganz nach dem Motto: „Was man hat, das hat man“ – und die offenen Punkte bis zur kommenden Versammlung zu klären.

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