Veränderungen im Vereinsrecht durch das Bürokratieentlastungsgesetz  

Veränderungen im Vereinsrecht durch das Bürokratieentlastungsgesetz  

Mit Veränderungen tun wir uns in Deutschland bekanntermaßen schwer. Da wundert es nicht, dass auch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) mit seinen grundlegenden Bestimmungen für Vereine das Thema Digitalisierung noch nicht vollständig abbildet. Mit dem 4. Bürokratieentlastungsgesetz wurden dazu aber erste Schritte unternommen. In diesem Beitrag erfahren Sie, wann die gesetzliche Schriftform gilt, welche Konsequenzen das hat und wie Sie Ihre Satzung fortschrittlicher gestalten können.
Inhaltsverzeichnis

Schriftform, Textform und andere Formvorschriften im Vergleich

„Wer schreibt, der bleibt“. Dieser alte Grundsatz zieht sich an vielen Stellen auch durch die Gesetze. Entsprechend befinden sich auch in den vereinsrechtlichen Vorschriften des BGB an einigen Stellen gesetzliche Formvorschriften. Dabei ist vielen Menschen unbekannt, dass es erhebliche Konsequenzen hat, wenn ein Gesetz z.B. die Schriftform anfordert. Denn wenn eine Erklärung die vorgeschriebene Form nicht erfüllt, ist sie unwirksam. Das kann erhebliche Auswirkungen haben. 

Beispiel: Der TuS Vorwärts Musterstadt e.V. möchte sich von dem bisherigen angestellten Trainer der Herrenmannschaft trennen. Der Vorstand fertigt ein Kündigungsschreiben und unterzeichnet dies. Anschließend wird das Dokument fotografiert und dem Trainer per WhatsApp übermittelt. § 623 BGB fordert für eine Kündigungserklärung allerdings die Schriftform und schließt die elektronische Form ausdrücklich aus. Das Arbeitsverhältnis ist nicht wirksam gekündigt. 

Neben der Schriftform gibt es weitere gesetzliche Formvorschriften. Für Sie ist es wichtig, diese unterscheiden zu können. In der folgenden Übersicht finden Sie die verschiedenen gesetzlichen Formvorschriften, die Sie im Einzelfall zu beachten haben. 

Verschiedene Formvorschriften im Überblick

FormBedeutungBeispiel/Details
Schriftlich (Def. in § 126 BGB)

Elektronische Form (Def. in 126a BGB) 
Eigenhändige Unterschrift oder notariell beglaubigtes Handzeichen 

Ersatz für die gesetzliche Schriftform, erfordert qualifizierte elektronische Signatur 
§ 37 BGB, Minderheitenbegehren zur Einberufung einer Mitgliederversammlung 

Wenig Bedeutung im Vereinsbereich aufgrund des hohen Aufwands 
Textform (Def. in 126b BGB) Lesbare Form, Name des Erklärenden, auf einem dauerhaften Datenträger z.B. E-Mail, SMS, Textnachricht in WhatsApp; Stimmabgabe bei Beschlüssen, § 32 Abs. 3 BGB 
Notarielle Beurkundung (Def. in 128 BGB) Ein Notar beurkundet ein Dokument, es wird vorgelesen, genehmigt und unterzeichnet Kaufvertrag über ein Vereinsgrundstück, § 311b BGB 
Öffentliche Beglaubigung (Def. in 129 BFB) Schriftlich abgefasst und die Unterschrift des Erklärenden von einem Notar beglaubigt Anmeldungen zum Vereinsregister, § 77 BGB 

Gesetzliche Änderungen durch das 4. Bürokratieentlastungsgesetz

Mit dem 4. Bürokratieentlastungsgesetz wird an zahlreichen Stellen im BGB nun aus der „Schriftform“ die „Textform“. Betroffen sind u.a. folgende Paragrafen im Vereinsrecht: 

  • § 32 Abs. 3 BGB: Beschlüsse ohne Versammlung sind gültig, wenn alle Mitglieder in Textform zustimmen. 
  • § 33 Abs. 1 BGB: Änderungen des Vereinszwecks bedürfen der Zustimmung aller Mitglieder in Textform. 

Diese Änderungen ermöglichen es, entsprechende Erklärungen digital, z.B. per E-Mail, abzugeben. 

Checkliste: Textform nach § 126b BGB

Nutzen Sie diese Checkliste, um sicherzustellen, dass Erklärungen in Textform den gesetzlichen Anforderungen entsprechen: 

  • Lesbarkeit: Die Erklärung muss lesbar sein (Audionachrichten sind ausgeschlossen). 
  • Identifikation: Die Person des Erklärenden muss eindeutig genannt sein (z.B. “Gonzo64@xy.de” ohne Namensangabe ist nicht ausreichend). 
  • Aufbewahrbarkeit: Die Erklärung muss aufbewahrt oder gespeichert werden können. 
  • Unveränderte Wiedergabe: Das Medium muss die unveränderte Wiedergabe der Erklärung ermöglichen. 
  • Erklärungsende: Das Ende der Nachricht muss kenntlich gemacht sein (z.B. durch Namenswiedergabe am Ende). 

Die Textform bietet weniger Sicherheit über die Identität des Ausstellers als die gesetzliche Schriftform oder die qualifizierte elektronische Signatur. Einige Schriftformerfordernisse im Vereinsrecht des BGB sind nicht geändert worden, insbesondere § 37 BGB (Minderheitenverlangen zur Einberufung einer Mitgliederversammlung).

Wichtig: Durch die Gesetzesänderung ändern sich lediglich die Formvorschriften. Die in der Praxis größere Hürde, wie die 100 %ige Zustimmung aller Mitglieder bei Änderung des Vereinszwecks, bleibt unverändert.

Vorsicht bei Arbeitsverhältnissen

Im Frühjahr 2024 war in der Presse zu lesen, dass Arbeitsverträge nun auch per E-Mail geschlossen werden können. Das gilt aber ausschließlich für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses. Für Kündigungen und Aufhebungsverträgen sieht das Gesetz nach wie vor die Schriftform vor. Ihr Verein kann also trotz der Bemühungen des Gesetzgebers um die Entbürokratisierung Arbeitsverträge nach wie vor nur mit eigenhändiger Unterschrift des vertretungsberechtigten Vorstandes (oder anderer vertretungsberechtigter Personen) beenden.

Satzungsbestimmungen vs. Gesetzliche Vorschriften

Die Satzung kann von gesetzlichen Bestimmungen abweichen, wenn dies in § 40 BGB erlaubt ist. Wichtig ist, dass die Abweichung in der Satzung selbst festgelegt wird, nicht in einer Geschäftsordnung. Prüfen Sie, ob in Ihrer Satzung Formvorschriften angepasst werden müssen, um Unklarheiten zu vermeiden. 

Formvorgaben für die Einladung zur Mitgliederversammlung

Es gibt keine gesetzlichen Formvorschriften für die Einladung zur Mitgliederversammlung; die Satzung sollte diese regeln. Eine Einladung per E-Mail zur Mitgliederversammlung ist in der Regel formwirksam, sofern die Satzung keine spezifischen Einschränkungen hat. 

Minderheitenbegehren und gesetzliche Schriftform

Nach § 37 BGB bleibt es bei der gesetzlichen Schriftform für Minderheitenbegehren. Unterschriften sind erforderlich, entweder handschriftlich oder per qualifizierter elektronischer Signatur. Eine bloße E-Mail ohne entsprechende qualifizierte elektronische Signatur reicht nicht. 

Vor- und Nachteile leichterer Formvorschriften

Auch wenn Entbürokratisierung erst einmal sehr positiv klingt, sollten Sie bewusst überlegen, an welchen Stellen Sie bisherige Formvorschriften erleichtern wollen. Nutzen Sie die Gelegenheit, um Ihre Satzung daraufhin durchzusehen, ob Sie Ihre Prozesse digitaler und damit nutzerfreundlicher und unbürokratischer gestalten können und wollen. 

VorteileNachteile
Je weniger bürokratisch Ihr Verein nach Außen auftritt, desto attraktiver wird er in der Außendarstellung. Auch die Beteiligung von Mitgliedern wird leichter. Basisdemokratie, Beteiligungsmöglichkeiten und Transparenz werden gerade von jungen Menschen immer mehr eingefordert. Sie sind ein wichtiger Faktor bei dem Entschluss, einem Verein beizutreten.  Es kann aber natürlich auch Situationen geben, in denen Sie sehr bewusst keine Erleichterungen anbieten wollen. Das beste Beispiel dafür ist der Verzicht auf die gesetzliche Schriftform bei einem Minderheitenbegehren. Je leichter Sie einen solchen Antrag machen, desto öfter werden Sie sich damit auseinandersetzen müssen. Das Gleiche gilt für die Frage des Austritts aus dem Verein. Und schließlich hat ein unterschriebenes Dokument im Streitfall einen höheren Beweiswert.  

Beispiele für Formvorgaben in der Satzung

Durch den Grundsatz der Vereinsautonomie haben Sie die Möglichkeit, die organisatorischen Aspekte in Ihrem Verein maßgeblich selbst zu regeln. Machen Sie davon Gebrauch.

Tipp

Es gibt keine gesetzlichen Verpflichtungen, sich grundsätzlich für eine Formvorgabe in einer Satzung zu entscheiden. Wenn Sie es für sinnvoll halten, dürfen Sie die Frage an unterschiedlichen Stellen unterschiedlich regeln. Sie sollten es nur in jedem Fall ausdrücklich und eindeutig machen. 

Dabei können Sie sich an den folgenden Formulierungsbeispielen für typische Situationen in einem Verein orientieren:

Aufnahmeantrag

Strenge VorgabeLeichte Vorgabe 
Die Aufnahme setzt einen unterschriebenen Aufnahmeantrag an den Vorstand voraus. Die Aufnahme erfolgt auf Basis eines Aufnahmeantrags in Textform. 
Der Vorstand entscheidet über den Aufnahmeantrag und teilt seine Entscheidung per Brief mit. Die Mitgliedschaft beginnt mit Zugang des entsprechenden Briefs beim Mitglied. Die Mitgliedschaft beginnt, sobald das Mitglied durch den Vorstand in Textform über die Aufnahme informiert wurde. 
Ein Anspruch auf Aufnahme besteht nicht. Lehnt der Vorstand einen Aufnahmeantrag ab, hat er dies dem Antragsteller per Brief mitzuteilen.Der Vorstand kann einen Antrag auf Aufnahme in den Verein per Mitteilung in Textform ablehnen. 
Lehnt der Vorstand einen Aufnahmeantrag ab, kann das abgelehnte Mitglied innerhalb einer Frist von …. Wochen per Einschreiben Einspruch beim Vorstand gegen diese Entscheidung einlegen. Über den Einspruch entscheidet die nächste Mitgliederversammlung. Lehnt der Vorstand einen Aufnahmeantrag ab, kann das abgelehnte Mitglied innerhalb einer Frist von …. Wochen per Einschreiben Einspruch beim Vorstand gegen diese Entscheidung einlegen. Über den Einspruch entscheidet die nächste Mitgliederversammlung. 

Austrittserklärung

Strenge VorgabeLeichte Vorgabe
Der Austritt aus dem Verein wird dem Vorstand gegenüber per Brief mit einer Austrittsfrist von vier Wochen zum Jahresende erklärt. Der Austritt erfolgt durch Erklärung in Textform gegenüber dem Vorstand mit einer Austrittsfrist von vier Wochen zum Quartalsende. 

Antrag auf Beitragsermäßigung

Strenge Vorgabe Leichte Vorgabe 
Anträge auf Beitragsermäßigung aus sozialen Gründen gemäß § … der Satzung sind unter Beifügung aussagekräftiger Unterlagen per Brief an den Vorstand zu richten. Anträge auf Beitragsermäßigung aus sozialen Gründen gemäß § … der Satzung können mit den notwendigen Nachweisen per Textform an den Vorstand gerichtet werden. 

Ausschluss aus dem Verein 

Strenge Vorgabe Leichte Vorgabe 
Der Vorstand entscheidet über den Ausschluss aus dem Verein. Seine Entscheidung gibt er dem Mitglied per Einschreiben bekannt.Der Vorstand entscheidet über den Ausschluss aus dem Verein. Seine Entscheidung teilt er dem Mitglied in Textform an die zuletzt bekannt gegebene E-Mail-Adresse mit. 
Innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Zugang der entsprechenden Entscheidung des Vorstands kann das Mitglied per Einschreiben, gerichtet an den Ehrenrat, Einspruch gegen seinen Ausschluss einlegen. Gegen den Ausschluss aus dem Verein kann das Mitglied in Textform gegenüber dem Ehrenrat Einspruch einlegen. Die Einspruchsfrist beträgt vier Wochen nach Zugang des Ausschlussbeschlusses des Vorstands. 

Einladungen 

Strenge VorgabeLeichte Vorgabe 
Einladungen zu Organsitzungen erfolgen per Brief. Einladungen zu Organsitzungen erfolgen in Textform an die zuletzt von Mitglied bekannt gegebene E-Mail-Adresse. Hat ein Mitglied keine E-Mail-Adresse bekannt gegeben, erfolgt die Einladung per Brief. 

Protokolle 

Strenge Vorgabe Leichte Vorgabe 
Beschlüsse der Organe des Vereins sind zu protokollieren. Die Protokolle sind vom Versammlungsleiter und vom Protokollführer zu unterzeichnen. Beschlüsse der Organe des Vereins sind zu protokollieren und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur des Versammlungsleiters und des Protokollführers zu signieren. 

Tipp: Insbesondere dann, wenn durch eine Erklärung Fristen ausgelöst werden (z.B. Einspruch gegen einen abgelehnten Aufnahmeantrag), sollte die Satzung so gestaltet sein, dass nachgewiesen werden kann, wann die Erklärung dem Empfänger zugegangen ist. 

Es ist auch möglich, durch eine umfassende Regelung an einer Stelle dafür zu sorgen, dass die Vereinskommunikation in der leichteren Form, also in Textform, erfolgt. Dazu benötigen Sie eine klarstellende Regelung in der Satzung. 

Formulierungsbeispiel

“Sofern nicht zwingende gesetzliche Bestimmungen etwas anderes erfordern, können sämtliche Erklärungen der Mitglieder gegenüber dem Verein und sämtliche Erklärungen des Vereins gegenüber den Mitgliedern in Textform erfolgen. Insoweit schließt ein Schriftformerfordernis in dieser Satzung oder in Vereinsordnungen die Textform ein.”

Fazit: Nutzen Sie die neuen Möglichkeiten

Der Schritt zum Bürokratieabbau durch die gesetzlichen Änderungen in § 32 und 33BGB sind sicher eine gute Idee. Insgesamt das Thema Entbürokratisierung im Verein aber durchaus noch Potenzial. Dies ist deshalb besonders wichtig, weil nach allen aktuellen Studien bürokratische Anforderungen ein Aspekt sind, der Menschen von ehrenamtlichem Engagement abhält.  

Auf der anderen Seite müssen Vereine auch nicht immer nur auf den Gesetzgeber schauen. Aufgrund der Vereinsautonomie gibt es einige Ansatzpunkte, bei denen Ver eine entweder selbst durch Gestaltung der Satzung oder durch Neuorganisation der Strukturen und Prozesse an der einen oder anderen Stelle unbürokratischer werden könnten. Nutzen Sie doch die Vorlage des Gesetzgebers aus, um jetzt einmal gemeinsam mit Vorstandsmitgliedern und Mitgliedern zu überlegen, wo Ihr Verein „schlanker“ und damit oft mitgliederfreundlicher und weniger arbeitsintensiv werden kann. 

FAQ zum Bürokratieentlastungsgesetz im Vereinsrecht

Das Bürokratieentlastungsgesetz ist eine gesetzliche Initiative in Deutschland, die darauf abzielt, bürokratische Hürden abzubauen und Verwaltungsprozesse zu vereinfachen. Für Vereine bedeutet dies, dass bestimmte Formvorschriften, wie die Schriftform, durch die weniger strenge Textform ersetzt wurden.
Die Schriftform erfordert eine eigenhändige Unterschrift auf Papier. Die Textform hingegen benötigt keine eigenhändige Unterschrift, sondern eine lesbare Erklärung, die auf einem dauerhaften Medium gespeichert und unverändert wiedergegeben werden kann, wie beispielsweise eine E-Mail.
Die Änderung von Schriftform zu Textform wurde vorgenommen, um die Kommunikation und Verwaltung zu erleichtern, indem digitale Formate wie E-Mails erlaubt werden. Dies beschleunigt die Prozesse und reduziert den bürokratischen Aufwand.
Die gesetzliche Schriftform bleibt insbesondere für das Minderheitenverlangen zur Einberufung einer Mitgliederversammlung nach § 37 BGB bestehen. Hier sind weiterhin handschriftliche Unterschriften erforderlich.
Ja, Vereine können gemäß § 40 BGB viele Formvorschriften durch die Satzung ändern, um Prozesse zu erleichtern. Änderungen müssen jedoch ausdrücklich und eindeutig in der Satzung festgelegt werden.