Liebe Leserin, lieber Leser,
es gibt in der Bundesrepublik Deutschland keine gesetzliche Regelung, die die grundsätzliche Anwesenheit von ausgebildeten Erste Hilfe-Kräften in Vereinen vorschreibt. Meist wird nur allgemein gefordert, dass die Erste Hilfe bei allen Veranstaltungen, Versammlungen und im Vereinsleben abgesichert sein muss. Doch wie können Sie das als Verein permanent gewährleisten? Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) weist darauf hin, dass es verschiedene Gesichtspunkte gibt, die für die Beantwortung dieser Frage berücksichtigt werden müssen.
Diese werden Ihnen im Ratgeber „Erste Hilfe in Vereinen“ verdeutlicht. Der Ratgeber ist nicht nur für Ersthelfer und Vereinsvorstände, sondern für alle Vereinsmitglieder gleichermaßen geeignet. Die leicht verständlichen Schilderungen leiten Sie gezielt dazu an, gesundheitliche Notfälle sofort zu erkennen und richtig zu reagieren, egal ob bei Veranstaltungen im Allgemeinen oder Sportverletzungen im Speziellen.
Die übersichtlichen Checklisten und Infografiken können Sie ausdrucken und im Vereinsheim für jedes Vereinsmitglied zugänglich aushängen. Oder Sie verlinken das Whitepaper auf Ihrer Vereins-Webseite, damit alle digital jederzeit darauf Zugriff haben.
So können Sie anderen im Notfall helfen und gleichzeitig das Vereinsleben unterstützen:
Wir, vom Vereinswelt Redaktions-Team, wünschen Ihnen eine erfolgreiche nächste Veranstaltung ohne Zwischenfälle. Sollte doch etwas Unverhofftes passieren, sind Sie nach dem Lesen dieses Ratgebers gut vorbereitet.
Ansprechpartner bei „2K-verbandsberatung“, einem auf die Beratung von Verbänden und Vereinen spezialisierten Unternehmen. Er kann auf eine mehr als 20-jährige ehrenamtliche Arbeit in verschiedenen Vereinen und Organisationen zurückblicken, darunter auch die Tätigkeit als erster Vorsitzender eines Sportvereins mit 300 Mitgliedern.
Er berichtet: „Vor einigen Jahren nahm ich als 1. Vorsitzender eines Sportvereins mit unserer Jugendgruppe an einem Sportfest teil. An einer Station stürzte ein Mädchen aus unserer Gruppe beim Hochsprung so unglücklich, dass sie sofort über starke Schmerzen im Rücken klagte. Währenddessen lag sie noch auf dem Weichboden, was zugegebenermaßen den weiteren Ablauf an dieser Station störte. Vom letzten Erste-Hilfe-Lehrgang wusste ich, dass Rückenverletzungen dramatische Folgen haben können und sorgte daher dafür, dass sie auf dem Weichboden liegen blieb. Gleichzeitig organisierte unser Jugendwart einen Krankenwagen.
Unerfreulich war, dass Repräsentanten des Veranstalters das Mädchen aufforderten, aufzustehen und den Weichboden für den Fortgang der Veranstaltung freizumachen. Aufgrund der Informationen aus der Erste-Hilfe-Fortbildung unterband ich das. Sehr zu Recht, wie mir sowohl die Rettungswagenbesatzung als auch später der Arzt im Krankenhaus bestätigte. Wir hatten es tatsächlich mit einem Anbruch der Wirbelsäule zu tun. Ohne die Vorkenntnisse aus dem Erste-Hilfe-Kurs hätte ich das Mädchen vielleicht aufstehen lassen, um die Veranstaltung nicht weiter zu stören. Dadurch hätte großer Schaden entstehen können.“
Michael Röcken ist selbstständiger Rechtsanwalt in Bonn und berät als Schwerpunkt Vereine und Verbände auf dem Gebiet des Vereins- und Verbandsrechts, des Gemeinnützigkeitsrechts sowie des Arbeitsrechts. Gleichzeitig leitet er einen Verband als Geschäftsführer. Er ist Verfasser zahlreicher vereinsrechtlicher Publikationen, schreibt für das „Handbuch für den VereinsVorsitzenden“ und ist als Referent tätig.
Herr Röcken sagt: „Erste-Hilfe im Verein ist wichtig, da der Vereinsvorstand für die Sicherheit verantwortlich ist. Das betrifft nicht nur Vereinsmitglieder, sondern auch die Gäste von Veranstaltungen. Für den Bereich des Schulsportunterrichts gibt es eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 04.04.2019, III ZR 35/18), welche zwar den Bereich der Schule und des Sportlehrers betraf, aber auf unseren Vereinsbereich sehr gut übertragbar ist. Der dortige Sportlehrer hatte nicht direkt die erforderlichen Erste-Hilfe-Maßnahmen eingeleitet, sodass ein Schüler schwerste Schäden davontrug. Der BGH hob hervor, dass ein strenger Haftungsmaßstab gilt. Wenn Sie im Verein eine Veranstaltung organisieren, müssen Sie damit rechnen, dass es bei einem der Besucher zu gesundheitlichen Problemen kommen kann. Hier sollten Sie vorbereitet sein und Ersthelfer bereitstellen, welche im Fall der Fälle erste Hilfe leisten können. Vermeiden Sie so eine Haftung des Vereins oder sogar eine persönliche Haftung.“
War Vereins- und Verbandsberater im Landessportbund Berlin. Seit über 20 Jahren unterstützt er Vorstände von Sportorganisationen bei der Vereinsführung. Regelmäßig schreibt er Artikel zum Vereinsrecht für das „Handbuch für den VereinsVorsitzenden“ und ist als Referent tätig.
Seine Erfahrung zeigt, dass Notfälle beim Sport sogar ohne Sportunfall entstehen können: „Der Fußballverein „Kickers Wackerhausen“ hat im Rhythmus von zwei Wochen Heimspiele auf seinem Platz. Um den Zuschauern eine bessere Sicht auf das Spiel zu ermöglichen, hat der Vereinsvorstand eine kleine Tribüne bauen lassen, auf der etwa 50 Zuschauer Platz finden. Doch nicht alle Gäste bleiben immer auf ihren Plätzen sitzen. Stattdessen lehnen sich einige der Zuschauer gegen das Geländer und es kam, wie es kommen musste: Das Geländer brach ab und ein Zuschauer stürzte aus ca. 2 Metern Höhe auf den Boden. Er fiel so unglücklich auf den Rücken, dass er nur noch schwer atmen konnte. Zum Glück hat der Sportwart des Vereins gerade eine Erste Hilfe Ausbildung absolviert und wusste, was er zu machen hat. Es war also Glück im Unglück. Der Zuschauer wurde in die stabile Seitenlage gebracht und konnte nach kurzer Zeit wieder normal atmen. Der gerufene Rettungsdienst nahm ihn dennoch zur Überwachung mit, entließ ihn aber bald wieder. „
Diese genannten Beispiele werfen die Frage auf, ob ein Verein grundsätzlich selbst dazu verpflichtet ist, die Erste Hilfe abzusichern oder ob es ausreicht, wenn die Nummer des Rettungsdienstes bekannt ist. Dazu ein paar grundsätzliche Ausführungen:
Es gibt in der Bundesrepublik Deutschland keine gesetzliche Regelung, die die Anwesenheit von Erste Hilfe-Kräften bei Veranstaltungen vorschreibt. In den einzelnen Bundesländern gibt es dazu allerdings sehr unterschiedliche Auflagen durch die regionalen Genehmigungsbehörden. Meist wird nur sehr allgemein gefordert, dass die Erste Hilfe abgesichert sein muss. Die verschiedenen Gesichtspunkte von der Ausrüstung des Erste-Hilfe-Koffers bis zur Kostenübernahme hängen laut Deutschem Rote Kreuz (DRK) stark davon ab, welche Tätigkeiten der individuelle Verein ausübt.
Grundsätzlich gilt für den Veranstalter von Turnieren, Treffen oder Trainings-Möglichkeiten (in der Regel ist das ein Verein) die allgemeine Verkehrssicherungspflicht sowie eine Fürsorgepflicht für Teilnehmer, Betreuer, Organisatoren und Besucher der Veranstaltung. Dies beruht auf dem Gedanken, dass derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft, die notwendigen Vorkehrungen zum Schutz Dritter zu treffen hat.
Überdies ist es Aufgabe der landesrechtlich für die Zulassung von Veranstaltungen zuständigen Ordnungsbehörde, eine Gefahrenanalyse durchzuführen und ggf. verbindlich Auflagen für die Durchführung der Veranstaltung fest- und durchzusetzen. Hierzu zählt auch die Prüfung, ob eine Betreuung durch den Sanitätsdienst erforderlich ist oder sogar zusätzliche Mittel und Personal für die Notfallrettung oder den Krankentransport am Veranstaltungsort bereitzuhalten sind. Maßgeblich ist die jeweilige Gefährdungslage im Einzelfall.
Demzufolge muss sich jeder Verein folgende Fragen stellen:
Die Art der Veranstaltung ist ausschlaggebend. Hier sollte bei der Risikoabschätzung von etwa Sportunfällen der Schwerpunkt liegen. Handelt es sich z.B. um ein Schachturnier, ist das Verletzungsrisiko sicher nicht so hoch wie beispielsweise bei einer Reitveranstaltung oder einem Fußballturnier.
Findet die Veranstaltung in einer Halle statt oder in einem weitläufigen Gelände (z.B. Waldlauf, Radsportveranstaltung usw.), können lange Wege für den Abtransport eines verletzten Sportlers entstehen.
Hat man diese Überlegungen angestellt, sollte man die Fachleute der Sanitätsdienste beurteilen lassen, wie viele Sanitäter und ob ein Notarzt oder ein Rettungswagen für die Veranstaltung bereitgestellt werden sollen.
Für den täglichen Vereinsbetrieb – also nicht für spezielle Veranstaltungen – sollte auf jeden Fall die Anwesenheit von Ersthelfern gewährleistet sein. Bei Sportvereinen ergibt sich diese Verpflichtung zur Bereitstellung von Ersthelfern sogar aus den Vorschriften der Verbände bzw. des Deutschen Olympischen Sportbundes. Übungsleiter mit Lizenz müssen danach immer eine Ersthelferausbildung haben. Die Absolvierung eines Erste-Hilfe-Kurses gehört daher für alle Trainer zur Ausbildung dazu.
Gleiches gilt für die Bereitstellung eines Erste-Hilfe-Koffers und seine Ausstattung mit Verbandpäckchen, Desinfektionsmittel u. Ä. Alle Übungsleiter sollten über Position und korrekten Gebrauch des Koffers im Notfall informiert sein. Als Verein können Sie dafür sorgen, dass Fortbildungen Ihre Trainer regelmäßig für den Notfall sensibilisieren. So bieten Sie allen Mitgliedern die nötige Sicherheit bei Training und Wettkampf.
Dennoch kann es immer zu Unfällen kommen, wodurch die Frage nach der Haftung entsteht. Diese ist nicht durch die Berufsgenossenschaft abgedeckt, denn das ist lediglich eine Unfallversicherung für Arbeitnehmer. Eine Kostenübernahme für Behandlungen oder Schäden wird außerdem bei Vereinen nicht von der öffentlichen Unfallskasse übernommen. Im Einzelfall können ehrenamtlich tätige Trainer unter den Schutz der Unfallkasse fallen. Auf der sicheren Seite sind Vereine jedoch am ehesten, wenn sie eine Vereinsversicherung abschließen, die alle Mitglieder abdeckt. Für einige Sportvereine ergibt sich der Versicherungsschutz auch aus der Mitgliedschaft im jeweiligen Landessportverband und dem damit unterzeichneten Sportversicherungsvertrag. Alle diese Versicherungen bieten jedoch nur dann eine Kostenübernahme, wenn die Erste Hilfe Auflagen tatsächlich berücksichtigt wurden.
Erste Hilfe ist also der Schlüssel zu mehr Sicherheit für jedes einzelne Mitglied als auch für den Verein allgemein.