Abstimmungsmehrheiten korrekt ermitteln
Einfache Mehrheit. Qualifizierte Mehrheit. Erschienene Mitglieder … Die möglichen Fehlerquellen bei der Ermittlung der Mehrheitsverhältnisse in Vereinsabstimmungen sind groß. Deshalb muss der Versammlungsleiter vor jeder Abstimmung eindeutig klären, auf welcher Basis die Abstimmung erfolgen soll. In der Regel findet sich diese Grundlage in der Vereinssatzung. Dort steht beispielsweise: „Es reicht die einfache Stimmenmehrheit der anwesenden und wahlberechtigten Mitglieder.“ Oder auch: „Es gilt die relative Stimmenmehrheit.“ Doch was heißt das nun genau?
Welche verschiedene Arten von Stimmenmehrheiten gibt es?
Die einfache Stimmenmehrheit bedeutet, dass mehr als die Hälfte der gültig abgegebenen Ja-Stimmen gegenüber den Nein-Stimmen erreicht sein muss. Enthaltungen und ungültige Stimmen zählen also nicht mit. Diese Regelung entspricht § 32 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
Absolute Stimmenmehrheit bedeutet im Grunde das Gleiche. In diesem Fall kann die Satzung aber entsprechend § 40 BGB abweichend festlegen, ob damit die Mehrheit nach Anzahl der erschienenen oder die Mehrheit aller Vereinsmitglieder gemeint ist. Allerdings sollte man besser auf solch eine Regelung verzichten, da dann Mitglieder durch Nichtteilnahme an der Abstimmung diese verhindern können.
Bei der qualifizierten Stimmenmehrheit handelt es sich um eine besonders festgelegte Mehrheit, beispielsweise drei Viertel aller abgegebenen Stimmen. Die qualifizierte Mehrheit ist damit größer als die einfache Mehrheit, erreicht aber nicht die Einstimmigkeit. So schreiben § 33 bzw. § 41 des BGB beispielsweise in diesen beiden Fällen qualifizierte Mehrheiten vor:
- Bei einer Satzungsänderung ist eine Mehrheit von drei Vierteln der abgegeben Stimmen erforderlich.
- Bei der Auflösung des Vereins ist ebenfalls eine Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen notwendig.
Aber auch hier könnte z.B. durch eine entsprechende Satzungsregelung auf die Anzahl der erschienen (stimmberechtigten) Mitglieder abgestellt werden.
Die relative Stimmenmehrheit findet häufig bei Wahlen statt, wenn sich mehrere Kandidaten um einen Vorstandsposten bewerben. In diesem Fall ist es nicht erforderlich, dass einer der Kandidaten mehr als die Hälfte der Ja-Stimmen auf sich vereint. Gewählt ist somit bei relativer Stimmenmehrheit, wer die meisten Stimmen auf sich vereinigen konnte: Wenn z.B. der erste Kandidat 13 Stimmen erhält, der zweite 11 und der dritte Kandidat 15 Stimmen, gilt Letzterer als gewählt, selbst wenn es zum Beispiel auch noch 19 Enthaltungen gibt. Aber auch diese Wahlmethode muss durch die Satzung zugelassen sein und kann nicht einfach durch den Versammlungsleiter/Wahlleiter festgelegt werden.
Die Zustimmung aller Mitglieder ist erforderlich, wenn der Vereinszweck geändert werden soll. Da das sehr schwierig ist – in großen Vereinen fast unmöglich – kann bereits in der Gründungssatzung eine andere (qualifizierte) Mehrheit festgelegt werden. Eine spätere Satzungsänderung bedarf allerdings auch zunächst einmal, abweichend vom § 33 Abs. 1 BGB, der 100%-igen Zustimmung.
Hat die Satzung Einfluss auf die Abstimmungsmehrheit?
Abweichend von der gesetzlichen Regelung kann die Satzung auch auf die anwesenden Mitglieder abstellen. In diesem Fall erhalten auch die Enthaltungen Stimmgewicht. Die Änderung der Regeln durch die Satzung erfordert allerdings eine eindeutige und unmissverständliche Formulierung darüber, wie Stimmenthaltungen gewertet werden sollen.
Bei Stimmengleichheit ist der Antrag im Normalfall grundsätzlich abgelehnt. Die Satzung kann aber vorsehen, dass bei Stimmengleichheit das Los oder die Stimme des Vorsitzenden entscheidet. Fehlt in der Satzung eine entsprechende Regelung, ist es nicht zulässig, dass die Mitgliederversammlung eine Regelung für den Einzelfall trifft. Die Wahl muss dann (möglicherweise mehrmals) wiederholt werden.