Entlastung des Vereinsvorstandes nachträglich aufheben?

Entlastung des Vereinsvorstandes nachträglich aufheben?

© Peter Atkins l Adobe Stock

Wie ist das eigentlich, wenn die Mitgliederversammlung dem Vorstand die „Absolution“ erteilt hat – hinterher aber Dinge ans Licht kommen, die den Mitgliedern nicht bekannt waren?

Diese Frage hat mir ein Vereinsmitglied gestellt, dessen Vorstand im Jahr 2010 rund 2.000 Euro zu viel an Fahrtkosten abgerechnet hat. Zudem möchte das Mitglied wissen, ob – trotz der erfolgten Entlastung – der Verein via Mitgliederversammlung dieses Geld zurückfordern darf?

Grundsätzlich gilt:

Etwa bestehende Ersatzansprüche (auch Bereicherungsansprüche) des Vereins gegen den Vorstand bringen die Entlastung zum Erlöschen. So die gängigen Rechtskommentare. Denn: Wenn der Vorstand durch die Mitgliederversammlung entlastet wird, sprechen die Mitglieder damit ihr Einverständnis aus, mit der Art und Weise seiner Geschäftsführung einverstanden zu sein. Dies bezieht sich auf den im Rechenschaftsbericht zusammengefassten Berichtzeitraum. Hierbei muss es sich also nicht zwingend um das Vereinsjahr handeln. Die Entlastung wirkt damit wie ein Verzicht oder ein sogenanntes negatives Schuldanerkenntnis.

Doch es gibt eine wichtige Einschränkung:

Die Entlastung erfasst nur diejenigen Ansprüche und alle die Vorkommnisse, die den Vereinsmitgliedern bei der Beschlussfassung tatsächlich bekannt waren – oder die ihnen bei „sorgfältiger Prüfung“ des erstatteten Berichts hätten auffallen müssen. Das betrifft ganz eklatante Fälle.

Ein Beispiel:

Der Kassenwart berichtet: Kassenstand am 1.1.: 50.000 Euro, am 31.12.: 40.000 Euro. Ausgaben: 30.000 Euro, Einnahmen: 50.000 Euro.

Hier kann jedes Mitglied schnell errechnen, dass der Kontostand bei diesen Zahlen am Jahresende nicht 40.000 Euro, sondern 70.000 Euro hätte betragen müssen. Wird jetzt trotzdem Entlastung erteilt, könnte später durchaus das Argument fallen: „Hallo – das hätte nun wirklich jeder sehen können. Dass die Mitgliederversammlung trotzdem die Entlastung erteilt hat, zeigt doch, dass es keine Einwände gab – auch nicht gegen diesen offensichtlichen Geldschwund.“

Natürlich ist das Beispiel ein klein wenig überzogen. Doch wie heißt es so schön? Übertreibung macht anschaulich.

Doch zurück zu der Leserfrage:

Grundsätzlich gilt damit: Ansprüche, die aus dem Rechenschaftsbericht des Vorstands und den Unterlagen, die die Mitglieder ggfs. einsehen konnten, NICHT hervorgehen, sind von der Entlastung nicht umfasst.

Sollte der Vorstand also wirklich Reisekosten falsch und zu seinen Gunsten abgerechnet haben (wie auch immer das jetzt aufgeflogen sein mag), kann die Mitgliederversammlung verlangen, dass die Abrechnungen korrigiert und dem Verein das Geld erstattet wird. Letztendlich muss sie es sogar. Schließlich könnte das Finanzamt diese Zahlungen auch als unerlaubte Zuwendung (Vergütung) an den Vorstand sehen, womit das Thema Entzug der Gemeinnützigkeit plötzlich schneller auf dem Plan stehen kann, als Vorstand und Mitgliedern lieb ist. Von den gravierenden finanziellenFolgen ganz zu schweigen.

Apropos finanzielle Folgen:

Ein anderer Leser hat ein sehr interessantes Problem. Sein Verein ist Mitglied in einem Verband. Üblicherweise werden Pachtverträge zur Pacht von Kleingartenanalagen über den Verband geschlossen (Zwischenpacht). Der Verein aber hat seine Anlage direkt von der Gemeinde gepachtet. 2011 wurde der ursprünglich befristete Pachtvertrag in einen unbefristeten umgewandelt.

Nun hat der Verband alle alten Verträge als Null und nichtig erklärt und verlangt, dass neue Pachtverträge über ihn abgeschlossen werden. Darf er das?

Warum die Frage auch für Sie interessant ist:

Da der Verein einen Pachtvertrag direkt mit der Gemeinde abgeschlossen hat, kann der Verband jetzt nicht dazwischen funken. Auch wenn er es gerne möchte. Letztendlich hat er nur Verfügungsgewalt über die mit ihm geschlossenen Zwischenpachtverträge. Allerdings ist das Thema „Pachtverträge“ in der Praxis hochkompliziert, weshalb ich dem Verein hier letztendlich nur empfehlen kann, wenn der Verband Druck ausüben sollte, den Weg zum Rechtsanwalt anzutreten.

Dieser Fall zeigt:

Die Rechtsbeziehung zwischen Verband und Verein ist in der Praxis nicht immer ganz einfach. Denn schließlich hat sich der Verein durch den Beitritt in den Verband seiner Satzung unterworfen – andererseits gelten die Regeln des Verbandes für die Mitglieder nicht automatisch mit. Sie sind ja Mitglied im Verein – und nicht im Verband.

Es wäre hier also auch zu prüfen, ob die Mitgliederversammlung überhaupt den Beschluss hätte fassen können, dass der Verein die Anlage direkt von der Gemeinde pachtet – oder, ob die Satzungsregelung des Verbandes (der sich der Verein mit seinem Beitritt dann ja unterworfen hat) dieses ausschließt. In diesem Fall kann sich der Verband natürlich auf das satzungswidrige Verhalten des Mitglieds (also des Vereins) beziehen und verlangen, dass dieses Fehlverhalten abgestellt wird.

Meine Empfehlung deshalb:

Wenn auch Ihr Verein Mitglied in einem Verband ist, prüfen Sie, bevor Sie Beschlüsse der grundsätzlichen Art treffen, auch immer, ob die Verbandsregeln diese zulassen.

Beispiel:

Der Spielbetrieb in Sportvereinen wird über den Sportbund/ -verband geregelt. Sie können nun nicht beschließen, aus dem Verband auszutreten und gleichzeitig davon ausgehen, dass der Sport- und Spielbetrieb aufrecht erhalten bleibt, wenn die Satzung des Verbandes zwingend vorsieht, dass nur Mitglieder von dem vom Verband organisierten Spielbetrieb umfasst werden.

Um dem Leser aber ein abschließende Antwort zu geben:

Wenn der Verein gemeinnützig ist UND direkt mit der Gemeinde den Pachtvertrag geschlossen hat UND die Satzung des Verbandes die Umgehung der Zwischenpachtlösung nicht ausdrücklich ausschließt, besteht keine Notwendigkeit der geforderten Vertragsanpassung.

Eine Frage habe ich noch über:

Ein Leser rief an und wollte wissen, ob man die diesjährige Mitgliederversammlung ausfallen lassen kann. Zwar sei in der Satzung vorgesehen, dass diese jährlich stattfindet, aber es gäbe nichts Dringendes zu besprechen. Aufgrund dessen meinten nun einige Vorstandsmitglieder, „dann lassen wir die Versammlung eben ausfallen“.

Klare Antwort:

Das geht nicht! Die Satzung ist das Grundgesetz des Vereins. Und wenn im Grundgesetz steht, dass die Versammlung ein Mal im Jahr stattfindet, hat sie dann auch stattzufinden!

Im Klartext:

Sie müssen die Mitgliederversammlung stets in den durch die Satzung bestimmten Fällen einberufen (§ 58 Nr. 4 BGB). Und die gängigen Rechtskommentare ergänzen: „Die Verletzung der Einberufungspflicht durch das zuständige Organ kann dem Verein gegenüber ebenso Schadenersatzpflicht begründen, wie die Einberufung durch ein nicht zuständiges Organ“.

Deshalb:

Pflicht ist Pflicht! Nur in äußerst dringenden Fällen (Tod des Vorsitzenden, Versammlungsort brennt kurz vor der Versammlung nieder, vier von fünf Vorstandsmitglieder liegen nach einem Unfall im Krankenhaus usw.) ist an ein Verschieben zu denken. Und was heißt: „Wir haben nichts zu besprechen“. Wie heißt es so schön: Der Vorstand ist der Mitgliederversammlung gegenüber zur Rechenschaft verpflichtet. Irgendwas wird er im vergangenen Jahr ja wohl nun getan haben. Und entlastet werden will er womöglich auch …

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