Kann der 1. Vorsitzende sowas mit den Neuwahlen wirklich machen?
Ich beschäftige mich ja nun schon lange mit dem Thema Vereinsrecht. Und genau so lange bekomme ich immer wieder Fragen von Vorstandsmitgliedern aus Vereinen zu bestimmten Situationen oder Ereignissen, die den Verein oder das jeweilige Vorstandsmitglied gerade bewegen.
In dieser Woche hat mich eine Frage erreicht, die einmal mehr zeigt: Im Vereinsleben gibt es scheinbar nichts, was es nicht gibt. Darum geht es:
Im betreffenden Verein wird der Verein laut Satzung nach innen und außen durch den 1. und 2. Vorsitzenden vertreten. Jeder ist alleinvertretungsberechtigt. Der 2. Vorsitzende dann, wenn der 1. verhindert ist. Der erweiterte Vorstand besteht noch aus 4 weiteren Positionen.
Nun fühlt sich aktuell der 1. Vorsitzende von seinen Vorstandskollegen nicht ernst genommen und ausgegrenzt. Er hat die Flucht nach vorne ergriffen. Heißt: Er hat – ohne dies mit dem übrigen Vorstand abzustimmen – eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen mit dem Tagesordnungspunkt Neuwahlen. Nun stehen folgende Fragen im Raum:
- Kann der 1. Vorsitzende alleine, ohne Abstimmung mit dem Vorstand, eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen?
- Kann er so einfach Neuwahlen ansetzen oder müsste nicht theoretisch erst der Vorstand zurücktreten?
- Reicht es, in der Einladung zur Mitgliederversammlung nur „Neuwahlen“ anzugeben? Oder müsste, falls der Vorstand nicht zurücktritt, dieser erst von der Mitgliederversammlung abberufen, also abgewählt werden?
Was meinen Sie? Die Antworten gibt es gleich nach dem folgenden Hinweis:
Kann der 1. Vorsitzende das mit den Neuwahlen wirklich so machen?
Im oben vorgestellten Fall hat der 1. Vorsitzende ohne Einbeziehung der übrigen Vorstandsmitglieder (also ohne entsprechenden Beschluss in der Vorstandssitzung) eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen. Laut Satzung ist er alleinvertretungsberechtigt.
Kann er also so eigenmächtig die Mitgliederversammlung einberufen?
Klare Antwort: Er kann, sofern die Satzung keine gegenteilige Regelung trifft. Heißt im Klartext: auch wenn Ihr Verein einen mehrgliedrigen Vorstand hat und die Satzung regelt, wie der Verein rechtsgültig vertreten wird (was sie hier tut) – können die mit dieser Vertretungsmacht ausgestatteten Vorstandsmitglieder auch ohne internen Vorstandsbeschluss die Mitgliederversammlung einberufen. Ist also beispielsweise nach der Satzung der 1. Vorsitzende und/oder der 2. Vorsitzende allein oder gemeinsam zur Vertretung berechtigt, so kann jeder allein oder können beide gemeinsamdie Mitgliederversammlung wirksam einberufen. (Immer vorausgesetzt, dass die Satzung des Vereins hierzu keine abweichende Regelung enthält).
Was aber gilt in Bezug auf das Thema Neuwahlen? Kann der 1. Vorsitzende diese einfach so ansetzen, ohne dass vorher der gesamte Vorstand zurückgetreten ist?
Antwort: Die Neuwahl eines Vorstandes ist zugleich der Widerruf der Bestellung des bisherigen Vorstands, wenn die Satzung nicht ausdrücklich etwas anderes vorsieht. Wird über den Widerruf der Vorstandsbestellung nicht ausdrücklich ein eigener Beschluss gefasst, schließt die Wahl eines neuen Vorstands den Widerruf der Bestellung des bisherigen Vorstands ein.
Bleibt noch Frage 3 offen:
Reicht es, in der Einladung zur Mitgliederversammlung nur „Neuwahlen“ anzugeben? Oder müsste, falls der Vorstand nicht zurücktritt, dieser erst von der Mitgliederversammlung abberufen, also abgewählt werden?
Teil 2 der Frage ist bereits geklärt. Die Neuwahl bedeutet gleichzeitig die Abberufung des bisherigen Vorstands. Was Teil 1 betrifft, so sehe ich die Sache kritisch. Wer soll gewählt werden? Denn genau wie bei anderen Beschlüssen ist es erforderlich, dass die Wahl auf der Tagesordnung bezeichnet wird. Sorgen Sie hier unbedingt für Klarheit.
Die Amtszeit des Vorstands eines Vereins endete im April 2012. Da der Vorstand im April 2012 nicht extra eine Mitgliederversammlung durchführen wollte, wollte er den neuen Vorstand bereits im Dezember 2011 auf einer Mitgliederversammlung wählen lassen. Auf der Tagesordnung war der entsprechende Tagesordnungspunkt so formuliert: „Vorstand 2012“. Die so durchgeführte Wahl wurde vom Vereinsregister nicht eingetragen, da für die Mitglieder anhand der Tagesordnung nicht eindeutig zu erkennen war, dass der ab April 2012 amtierende Vorstand gewählt werdensollte.
Formulieren Sie in einem solchen Fall denn entsprechenden Punkt auf der Tagesordnung wie folgt:
Formulierungsbeispiel:
Top 3: Wahlen
a) des ersten Vorsitzenden
b) des zweiten Vorsitzenden
c) des Schatzmeisters
Geht es um die Abwahl von Vorstandsmitgliedern eines Vereins und eine Vorstandsneuwahl, dann wird der Tagesordnungspunkt bei Einberufung der Mitgliederversammlung durch die Formulierung „Ergänzungswahl zum Vorstand: Kassierer, stellvertretender Kassierer, Schriftführer“ nicht hinreichend genau bezeichnet (OLG Köln, Beschluss vom 04.07. 984, Az. 2 Wx 13/84). Eine solche Formulierung hat die Nichtigkeit der Beschlüsse zur Folge. Das Registergericht wird dann den neu gewählten Vorstand nicht eintragen. Erforderlich wäre in diesem Fall zum Beispiel eineFormulierung wie diese gewesen:
Widerruf der Bestellung des Kassierers, des stellvertretenden Kassierers und des Schriftführers zum Vorstand. Anschließende Neuwahl des Kassierers, des stellvertretenden Kassierers und des Schriftführers.
Fazit:
Mit Punkt 1 und 2 hat der allein handelnde Vorsitzende sich im Rahmen des geltenden Rechts bewegt. Mit Punkt 3 wird er wohl eine Bruchlandung erleben … Und trotzdem zeigt der Fall, wie kritisch eine Alleinvertretung des Vereins nur durch eine Person zu sehen ist. Besser also: Immer zwei vertreten gemeinsam.